Abnehmen beginnt im Nervensystem: Die Rolle von Kälte, Atem und braunem Fett
- Katja Hasfeld
- 4. Dez.
- 7 Min. Lesezeit
Wenn du an Gewichtsverlust denkst, tauchen wahrscheinlich zuerst Diäten, Kalorientabellen und vielleicht sogar ein bisschen Frust auf.
„Ich weiß, wie es geht – warum klappt es trotzdem nicht dauerhaft?“
Genau hier wird es spannend. Dein Körper ist kein sparsam zu führendes Konto, sondern ein lebendiges, hochintelligentes System. Und ein Teil dieses Systems wurde lange unterschätzt: braunes Fettgewebe. Zusammen mit Atem und Kälte – wie wir sie in der Wim-Hof-Methode nutzen – kann es ein fehlendes Puzzleteil auf deinem Weg zu mehr Leichtigkeit sein.
Lass uns da gemeinsam eintauchen.
1. Warum Abnehmen so oft zäh ist – und was dein Stoffwechsel damit zu tun hat
Mit zunehmendem Alter verlangsamt sich der Stoffwechsel oft – besonders, wenn wir viel sitzen, gestresst sind und wenig schlafen. Ein langsamerer Stoffwechsel bedeutet:
weniger Energieverbrauch in Ruhe
leichtere Gewichtszunahme
mehr Risiko für Stoffwechselstörungen wie Insulinresistenz und Typ-2-Diabetes
Vielleicht kennst du das: Früher hast du „einfach ein bisschen weniger gegessen“ und die Kilos purzelten. Heute scheint sich kaum etwas zu bewegen, obwohl du dich mehr anstrengst als früher.
Die gute Nachricht: Dein Körper hat eingebaute Mechanismen, um den Stoffwechsel anzukurbeln – und viele davon sind noch aktiv, auch wenn du längst kein Teenager mehr bist. Einer dieser Mechanismen heißt braunes Fett.
2. Weißes vs. braunes Fett – dein körpereigener Heizofen
Wenn wir „Fett“ hören, denken wir meistens an das weiße Fett an Bauch, Hüften oder Oberschenkeln. Dieses weiße Fettgewebe speichert Energie – sehr effizient, manchmal zu effizient.
Braunes Fettgewebe (Brown Adipose Tissue, BAT) funktioniert anders:
Es ist stark durchblutet und voller Mitochondrien – den „Kraftwerken“ unserer Zellen.
Diese Mitochondrien enthalten ein spezielles Protein (UCP1), das Energie nicht in Bewegung, sondern direkt in Wärme verwandelt.
Wenn braunes Fett aktiv ist, verbrennt es Zucker und Fettsäuren, um deinen Körper warmzuhalten – also Kalorien, ohne dass du dich bewegen musst.
Beim Menschen findet man BAT vor allem im Bereich von Nacken, Schlüsselbein, entlang der Wirbelsäule und rund um die großen Blutgefäße im Brustkorb.
Spannend für uns Frauen: Studien zeigen, dass braunes Fett bei Frauen in manchen Untersuchungen stärker auf Kälte reagiert als bei Männern – wir haben also möglicherweise ein besonderes Potenzial, von dieser Gewebsform zu profitieren.
3. Wie Kälte dein braunes Fett aufweckt
Braunes Fett wurde lange vor allem bei Babys beschrieben – sie brauchen es, um ihre Körpertemperatur zu halten. Inzwischen weiß man: Auch Erwachsene besitzen aktives BAT, und es lässt sich trainieren.
3.1. Mildes Frieren – großer Effekt
Schon milde Kälte kann viel bewirken. Studien mit Erwachsenen zeigen:
wiederholte Aufenthalte bei etwa 17–19 °C aktivieren und vergrößern braunes Fett,
dadurch steigt der Energieverbrauch und der Körper nutzt mehr Fett und Glukose als Brennstoff.
In einer anderen Studie stieg der Stoffwechsel während einer Stunde in 20 °C warmem Wasser um fast das Doppelte – und in 14 °C kaltem Wasser sogar um mehr als das Dreieinhalbfache.
Du stellst dir vielleicht gerade vor, wie du frierend im See sitzt – aber es geht nicht darum, dich zu quälen. Entscheidend ist regelmäßige, gut dosierte Kälte, bei der du dich sicher fühlst.
3.2. Zittern, Muskeln & das Hormon Irisin
Wenn du frierst und beginnst zu zittern, arbeiten deine Muskeln auf Hochtouren und verbrauchen Zucker. Gleichzeitig schütten sie Botenstoffe aus, sogenannte Myokine. Eines davon heißt Irisin.
Forschende konnten zeigen, dass Irisin – ausgelöst durch Kälte oder Sport – weiße Fettzellen anregt, sich in „beige“ bzw. braun-ähnliche Fettzellen umzuwandeln, die ebenfalls Wärme produzieren.
Kurz gesagt:
Kälte & Bewegung → Muskelaktivität → Irisin & andere Botenstoffe → „Browning“ von weißem Fett → mehr Kalorienverbrennung in Ruhe.
4. Was hat das mit der Wim-Hof-Methode zu tun?
Die Wim-Hof-Methode (WHM) kombiniert drei Säulen:
Atemtechniken
Kälteexposition
Fokus & Mindset
Genau diese Kombination berührt die Systeme, die für Stoffwechsel, Stressreaktion und Energiehaushalt zuständig sind.
4.1. Kälte in der WHM: Trainiere dein braunes Fett
Eis- und Kaltwasserbäder, kalte Duschen und Aufenthalte in frischer, kühler Luft sind zentrale Bausteine der Methode. Wissenschaftliche Arbeiten zu Kälteexposition beim Menschen zeigen:
Die Aktivität von braunem Fett trägt messbar zur erhöhten Energieverbrennung bei Kälte bei.
Wiederholte Kältephasen über mehrere Tage können die Insulinsensitivität verbessern – in einer Studie bei Menschen mit Typ-2-Diabetes um über 40 %.
Personen, die sich regelmäßig extremer Kälte aussetzen (z. B. Winter-Schwimmer*innen), zeigen oft höhere Kälte-Thermogenese und Hinweise auf mehr oder aktiveres braunes Fett.
Für dich heißt das:
Gut angeleitete, wiederholte Kälteanwendungen im Sinne der WHM können deinen Körper langfristig darin unterstützen, mehr Energie über Wärme zu verbrennen, den Blutzucker besser zu regulieren und Stoffwechselprozesse zu aktivieren.

4.2. Atem als Stoffwechsel-Booster – warum wir Fett wirklich „ausatmen“
Hier wird es richtig faszinierend:
Wenn der Körper Fett abbaut, verwandelt er es nicht in „Schweiß“ oder „Muskelmasse“, sondern hauptsächlich in Kohlendioxid (CO₂) und Wasser.
Eine vielzitierte Studie aus Australien hat das rechnerisch nachverfolgt:
Wenn 10 Kilogramm Körperfett vollständig „verbrannt“ werden, entstehen daraus etwa 8,4 Kilogramm CO₂, die über die Lunge ausgeatmet werden, und rund 1,6 Kilogramm Wasser, das über Urin, Schweiß und Atemfeuchtigkeit den Körper verlässt.
Das bedeutet: Etwa 84 % des Fettverlusts verlassen den Körper über die Atmung.
Natürlich ersetzt bewusstes Atmen keine ausgewogene Ernährung – aber:
Atem bestimmt, wie viel Sauerstoff deinen Zellen zur Verfügung steht.
Sauerstoff ist nötig, um Fettsäuren in den Mitochondrien vollständig „durchzubrennen“.
Wenn du tiefer und effizienter atmest, unterstützt du die Prozesse, über die Fett tatsächlich den Körper verlässt.
Neue Untersuchungen zu intensivem, täglichen Tiefatmen (ohne zusätzliche Sport- oder Diätprogramme) weisen darauf hin, dass so ein simples Atemprogramm Körpergewicht, Blutfette und entzündliche Marker messbar beeinflussen kann – wenn auch moderat.
4.3. Die spezifische WHM-Atmung
Die WHM-Atemtechnik nutzt bewusst gesteuerte Hyperventilation mit anschließenden Atempausen. Sie führt kurzfristig zu:
deutlicher Aktivierung des sympathischen Nervensystems
Ausschüttung von Adrenalin
Veränderung von pH-Wert und CO₂-Gehalt im Blut
In Studien konnte gezeigt werden, dass Menschen, die die WHM praktizieren, ihre Stressreaktion und Entzündungsprozesse im Körper freiwillig beeinflussen können – etwas, das man früher für unmöglich hielt.
Für dein Gewicht ist das indirekt hoch relevant:
Ein reguliertes Nervensystem reduziert chronischen Stress, der sonst über Cortisol und Heißhunger das Abnehmen erschwert.
Du entwickelst mehr Körperbewusstsein und spürst klarer, was dein Körper wirklich braucht (statt emotionalem Essen).
Die verbesserte Sauerstoffversorgung und die Phasen intensiver Atmung können die „Ausatmung“ von Stoffwechselendprodukten unterstützen – im Rahmen eines gesunden Gesamtlebensstils.
5. Warum dieses Wissen besonders für Frauen kraftvoll ist
Viele Frauen kennen das Gefühl, ständig zu „wenig“ zu sein und gleichzeitig „zu viel“ – zu viel Gewicht, zu viel Appetit, zu viele Emotionen. Dazu kommen:
hormonelle Schwankungen im Zyklus
Schwangerschaften und Stillzeit
gesellschaftliche Erwartungen an den Körper
All das beeinflusst den Stoffwechsel – und oft auch unsere Beziehung zu uns selbst.
Die Perspektive von braunem Fett und Nervensystem bringt hier etwas völlig anderes hinein:
Dein Körper ist nicht „fehlerhaft“, er schützt dich. Wenn er Energie einlagert, dann, weil er Sicherheit schaffen will.
Du kannst gemeinsam mit deinem Körper arbeiten – über Kälte, Atem und Präsenz – statt gegen ihn zu kämpfen.
Gerade Frauen scheinen biologisch gut darauf eingestellt zu sein, Wärme über braunes Fett zu produzieren. Du darfst diesen eingebauten Mechanismus bewusst nutzen.
6. Wie genau unterstützen Atem & Kälte die Gewichtsabnahme?
Lass uns die Puzzleteile zusammenstecken:
6.1. Über die Kälte
Regelmäßige, gut dosierte Kälteexposition kann:
BAT aktivieren und sein Volumen erhöhen,
den Gesamtenergieverbrauch steigern,
die Insulinsensitivität verbessern und damit Heißhunger- und Blutzuckerschwankungen reduzieren,
eventuell Entzündungsprozesse im Körper senken, was langfristig mit weniger Stoffwechselproblemen einhergeht.
6.2. Über die Atmung
Bewusste Atempraxis – wie in der WHM – kann:
den Parasympathikus (Ruhe-Nerv) stärken und Stressessen entgegenwirken,
deine Herzfrequenzvariabilität verbessern, ein Marker für Resilienz,
die „Ausatmung“ von CO₂ als Endprodukt des Fettstoffwechsels begleiten,
über bessere Sauerstoffversorgung die Arbeit deiner Mitochondrien unterstützen – also die Orte, an denen Fett tatsächlich verbrannt wird.
6.3. Über das Mindset
Vielleicht der unterschätzteste Teil:
Du übst, Unbehagen bewusst zu begegnen, statt reflexhaft zu vermeiden – sei es Kälte, unangenehme Gefühle oder der Impuls, aus Stress zu essen.
Du erlebst dich selbst als stark, handlungsfähig und verbunden mit deinem Körper.
Das verändert, wie du Entscheidungen über Essen, Bewegung und Selbstfürsorge triffst – nicht aus Zwang, sondern aus innerer Klarheit.
7. Konkrete erste Schritte für deinen Alltag
Wichtig: Diese Tipps ersetzen keine medizinische Beratung. Wenn du Vorerkrankungen hast (Herz-Kreislauf, Bluthochdruck, schwere Atemprobleme, Schwangerschaft etc.), sprich bitte vorher mit deiner Ärztin/deinem Arzt.
7.1. Sanftes Kältetraining
Dusche am Ende lauwarm-kalt
Starte mit 15–30 Sekunden am Ende deiner warmen Dusche.
Atme ruhig durch die Nase oder mit sanft geöffnetem Mund – kein Pressen, kein Kampf.
Steigere dich nach und nach auf 1–2 Minuten.
Kühle Luft bewusst nutzen
Spaziere bei frischen Temperaturen mit etwas weniger Schichten, als du gewohnt bist – aber ohne zu frieren.
Achte darauf, dass du noch entspannt atmen kannst.
Fortgeschritten: Kaltwasser oder Eisbad
Nur mit guter Vorbereitung und Anleitung – hier kommt z. B. ein Workshop oder Retreat ins Spiel.
Richtig angeleitet lernst du, wie du sicher mit Kälte arbeitest und dein System schrittweise adaptieren lässt.
7.2. Tägliche Atempraxis
Du kannst mit einer einfachen Routine beginnen (außerhalb von Wasser, im Sitzen oder Liegen):
10–15 Minuten bewusste, ruhige Bauchatmung:
Hand auf den Bauch, Einatmung lässt die Hand nach außen steigen, Ausatmung sinkt sie wieder.
Wenn du bereits Erfahrung mit der Wim-Hof-Methode hast: 3–4 Runden der WHM-Atemtechnik, danach 5–10 Minuten Nachspüren.
Wichtig: Atme niemals im Wasser oder beim Fahren/Stehen – immer an einem sicheren Ort.
7.3. Lebensstil sanft mitleveln
Atem und Kälte können viel, aber sie wirken am stärksten, wenn du deinem Körper auch sonst zuhörst:
nährstoffreiche, möglichst unverarbeitete Lebensmittel
ausreichend Protein (besonders wichtig für Frauen, um Muskelmasse zu halten)
regelmäßige Bewegung, gerne auch Krafttraining
Schlaf, der dir wirklich Erholung schenkt
Gemeinsam mit den WHM-Praktiken entsteht so ein Umfeld, in dem dein Körper natürlich zu einem gesünderen Gewicht finden kann.
8. Wenn du das in der Tiefe erleben möchtest
Vielleicht spürst du beim Lesen eine Mischung aus Neugier und leiser Skepsis – das ist völlig in Ordnung. Wissenschaftliche Studien liefern uns spannende Hinweise, aber dein eigener Körper ist letztlich das wichtigste Labor.
In meinen Workshops, Atemreisen und Retreats arbeiten wir genau an dieser Schnittstelle:
wir nutzen gezielte Atemsessions,
gehen gemeinsam in die Kälte, so dass du dich sicher begleitet fühlst,
und schaffen einen Raum, in dem du deinen Körper neu kennenlernen kannst – jenseits von Diätregeln und Selbstkritik.
Fazit: Du darfst mit deinem Körper arbeiten, nicht gegen ihn
Gewichtsverlust ist kein moralischer Test, sondern ein biochemischer Prozess.
Braunes Fett, Atmung und Nervensystem sind keine „Esoterik“, sondern klar beschreibbare physiologische Systeme, die du aktiv beeinflussen kannst.
Die Wim-Hof-Methode ist dabei kein Wundermittel – aber sie ist ein kraftvolles Werkzeug, um:
deinen Stoffwechsel zu beleben,
braunes Fett zu aktivieren,
Stressmuster zu durchbrechen
und dich wieder als Verbündete deines eigenen Körpers zu erleben.
Vielleicht ist das wichtigste Geschenk auf diesem Weg gar nicht die Zahl auf der Waage, sondern das Gefühl:
„Ich kann mit meinem Körper zusammenarbeiten. Ich bin nicht ausgeliefert – ich bin wirksam.“
Wenn du magst, können wir gemeinsam schauen, welche Form von Atem- oder Kältetraining gerade am besten zu dir, deinem Alltag und deinem Körper passt.


